Lohnzettel einer Arbeiterin oder eines Arbeiters

Dieser Tages-Lohnzettel wurde im Feuerlöschteich gefunden. Da amerikanische Soldaten den Teich nach dem Krieg mit allen verbliebenen Resten auf dem Gelände zuschütteten, kann man leider nicht mehr eruieren, von wo auf dem Feld der Lohnzettel stammt. Der Lohnzettel könnte aus dem nahegelegenen Zwangsarbeiter*innen-Lager stammen oder aus einer der anderen Produktionstätten auf dem Tempelhofer Feld. Demnach könnte der Lohnzettel sowohl einer Zwangsarbeiterin gehört haben als auch einem angestellten Arbeiter. Privatfirmen verwendeten solche Tages-Lohnzettel zur NS-Zeit für „deutsche“ Arbeiter*innen wie auch für ausländische Arbeiter*innen, die zur Arbeit gezwungen wurden. Leider ist auch nicht mehr zu erkennen, wie hoch der Tageslohn war, den diese Person bezogen hat.

Fetzen eines Lohnzettels (Photo Nr.1873_46_164-2_V). (c) Jessica Meyer/Landesdenkmalamt Berlin

Fetzen eines Lohnzettels (Photo Nr.1873_46_164-2_V).
© Jessica Meyer/Landesdenkmalamt Berlin

Das Entlohnungssystem von Zwangsarbeiter*innen

Auch Zwangsarbeiter*innen erhielten Löhne, doch diese hingen von der ihnen zugewiesenen sozialen Position ab. Die Nationalsozialisten hatten eine auf Rassismus begründete Hierarchie unter den Zwangsarbeiter*innen errichtet. Die Höhe des Lohns richtete sich danach, auf welchem Rang ihrer rassischen Ideologie die Nationalsozialisten die Gruppe einstuften. Die Höhe des Lohns und damit auch die vorherrschenden Lebensbedingungen hingen von dem Geschlecht, der Nationalität oder der sogenannten „Rasse“ ab.

Unabhängig von der Nationalität wurden Frauen noch einmal schlechter bezahlt, da die Arbeit der Frau in der nationalsozialistischen Weltanschauung nicht als gleichwertig zu der des Mannes betrachtet wurde.

Die bessere Stellung westlicher (Zwangs)arbeiter*innen

Aus den besetzten Gebieten im Westen wurde viele gezwungen, im Reich Arbeitsdienst zu leisten. Die westlichen Arbeiter*innen standen weit oben in der nationalsozialistischen Hierarchisierung der Zwangsarbeiter*innen. Ihr Lohn war ähnlich hoch wie der eines sogenannten „deutschen“ Arbeiters. Doch westliche Zwangsarbeiter*innen wurden in der Regel nicht in höhere Lohnstufen eingeteilt, sondern wie ungelernte Arbeiter*innen bezahlt.

Lebensmittelrationen sowie die hygienische und medizinische Versorgung waren bei den westlichen Zwangsarbeiter*innen wesentlich besser als bei den Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen aus den östlichen Staaten und der Sowjetunion.

Die Stellung polnischer Zwangsarbeiter*innen

Die aus Polen stammenden Zwangsarbeiter*innen hatten – ebenso wie alle anderen zur Arbeit in Deutschen Reich Verpflichteten – Lohnsteuer, Krankenversicherung und Sozialversicherung von ihrem Gehalt zu zahlen. Doch ihnen wurde zusätzlich noch eine sogenannte Sozialausgleichsabgabe von 15% abgezogen. Diese eingeführte Zusatzsteuer war rassistisch motiviert und sollte die niedrigere soziale Position der polnischen Zwangsarbeiter*innen markieren. Die polnischen Zwangsarbeiter*innen mussten außerdem auf ihrer Kleidung ein großes P tragen, das auf ihre Herkunft aus Polen hinweisen sollte.

Die Stellung sowjetischer Zwangsarbeiter*innen

Die hauptsächlich aus der Sowjetunion stammenden Zwangsarbeiter*innen standen fast ganz unten in der nationalsozialistischen Hierarchisierung. Sie wurden umgangssprachlich „Ostarbeiter*innen“ genannt. Sie hatten eine als „Ostarbeiter-Steuer“ bezeichnetet Abgabe zu zahlen. Die Betriebe zogen diese Steuer von den Löhnen ab, bevor diese ausgezahlt wurden. Diese Abgabe war noch höher als die der polnischen Zwangsarbeiter*innen.

Die Nazis begriffen die sowjetischen Arbeiter*innen in ihrer rassistischen Ideologie als „Untermenschen“. Dass die Nationalsozialisten von den „Ostarbeiter*innen“ keine Sozialabgaben verlangten, macht ebenfalls den ihnen zugewiesenen Status deutlich. Der Verzicht war kein Entgegenkommen, sondern gründete darin, dass die Gesundheit und soziale Absicherung der Menschen nicht als notwendig betrachtet wurde. Zudem wurde ein Betrag für Unterkunft und Verpflegung für die eigens für sie vorgesehenen Baracken im Lager abgezogen.

Die sogenannte „Ostarbeiter-Steuer“ galt von 1941 bis 1944. Danach wurde sie abgeschafft und die Zwangsarbeiter*innen aus der Sowjetunion wurden wie die polnischen Arbeiter*innen entlohnt. Die Abschaffung der Steuer hing mit dem Versuch zusammen, die Situation der „Ostarbeiter*innen“ etwas zu verbessern. Doch ihre Lebensverhältnisse verbesserten sich dadurch kaum.

Die „Ostarbeiter*innen“ hatten zu ihrer Kenntlichmachung ein „Ost“ auf ihrer Kleidung zu tragen. Auch bezüglich ihrer Freizeitgestaltung und ihrer Möglichkeiten des Ausgangs waren die aus Polen und der Sowjetunion stammenden Zwangsarbeiter*innen gegenüber denen aus westlichen Ländern schlechter gestellt.

Ganz unten in der Hierarchie

Ganz unten in der unmenschlichen Hierarchisierung der Nationalsozialisten stand die jüdische Bevölkerung. Auch sie wurde zum Arbeitseinsatz in der Rüstungsindustrie auf dem Tempelhofer Feld gezwungen. Unter den schlechtesten Bedingungen lebten die im geschlossenen Arbeitseinsatz verpflichteten Berliner Juden und Jüdinnen, die einer Vielzahl zusätzlicher Schikanen ausgesetzt waren und ab 1942 in die Vernichtungslager deportiert wurden.

Marlene Jatsch

Literatur

  • Scholze-Irrlitz, Leonore; Noack, Karoline (Hrgs.): Arbeit für den Feind. Zwangsarbeiter-Alltag in Berlin und Brandenburg 1939-1945. Berlin 1998.
  • Berliner Regionalmuseum (Hrgs.): Zwangsarbeit in Berlin 1938-1945. Berlin 2003.
  • Kubatzki, Rainer: Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager. Standorte und Topografie in Berlin und im brandenburgischen Umland 1939 bis 1945. Eine Dokumentation. Berlin 2001.

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