Porzellan der Serie „Modell des Amtes Schönheit der Arbeit“
Unverkennbar ist der Slogan „Modell des Amtes Schönheit der Arbeit“ auf der Scherbe und auch das von einem Zahnrad umrundete Hakenkreuz fällt sofort auf. Dabei handelt es sich um den Stempel des „Amtes Schönheit der Arbeit“, welches 1934 von den Nationalsozialisten zur Verbesserung des Arbeitsplatzes eingerichtet wurde. Direkt darunter befindet sich die Fabrikmarke Hutschenreuther und der Herstellungsort Selb. Bei dieser Scherbe handelt es sich um das schlichte Kantinengeschirr mit dem Namen „Modell des Amtes Schönheit der Arbeit I“. Dieses wurde von dem „Amt Schönheit der Arbeit“ entworfen und 1936 in Auftrag gegeben.
Das Amt Schönheit der Arbeit
Das „Amt Schönheit der Arbeit“ wurde 1934 eingerichtet. Die Aufgabe des „Amtes Schönheit der Arbeit“ war sich um die Sozialhygiene und ästhetische Gestaltung am Arbeitsplatz zu kümmern. Das Amt richtete Fabrikräume, Kantinen, Betriebssportanlagen, Umkleide- und Waschräume ein, um die Arbeitsplatzumgebungen für die Angestellten und Arbeiter*innen zu verbessern. Das Amt gehörte zur nationalsozialistischen Organisation „Deutsche Arbeitsfront“. Diese sollte nach der Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 die Interessen der Arbeitnehmer*innen vertreten.
Durch das Streikverbot und die Auflösung der Gewerkschaften besaßen die Arbeiter*innen kein Druckmittel mehr zur Durchsetzung ihrer Interessen. Mit oberflächlichen Verbesserungen durch das Amt wurde der Schein erweckt, dass die Interessen der Arbeitnehmer*innen weiterhin berücksichtigt werden.
Das Kantinengeschirr „Model des Amtes Schönheit der Arbeit I“
1935 beschloss das „Amt Schönheit der Arbeit“ ein schlichtes, funktionales und massentaugliches Kantinengeschirr zu entwerfen, welches in Arbeiter*innen-Kantinen zur ästhetischen Verbesserung der Arbeitswelt eingesetzt werden sollte. Dieses „Modell des Amtes Schönheit der Arbeit I“ wurde von dem Designer Heinrich Löffelhardt entworfen. Später folgten noch zwei weitere Modelle, bei denen es sich um eine Verbesserungen des alten und um ein gehobeneres Kantinengeschirrs handelte.
Die „Deutsche Arbeitsfront“ bestimmte, an welche Betriebe der Auftrag zur Produktion des Geschirrs vergeben wurde und überwachte sowohl die Herstellung wie den Vertrieb dieses Kantinengeschirrs.
Das funktionale Design
Das Design des Kantinengeschirrs „Modell des Amtes Schönheit der Arbeit I“ lehnt sich an den Funktionalismus der Werkbund Ära der 20er Jahre an. Bei dem einfachen, nüchternen und funktionalen Design sollte der sozialistische Anschein gewahrt werden um die Arbeiterschaft zu befriedigen. Durch eine Sozialästhetik, die die Arbeiter*innen ansprach, konnte die nationalsozialistische Kultur effektiv demonstriert und die arbeitende Bevölkerung beeinflusst werden und von den schlechter werdenden Arbeitsbedingungen ablenken. Die ursprüngliche Idee des funktionalen Designs, durch die Orientierung an der Funktion die kapitalistische Produktionsweise zu kritisieren, wird übernommen und eine nicht von Kapitalverwertungsinteressen gesteuerte Volkskultur vorgespielt.
Im Nationalsozialismus kommt es zu keinem einheitlichen Design viel mehr werden vorhandene Strömungen aufgenommen und im nationalsozialistischem Sinn umgedeutet. So stellte auch das Design des Flughafengebäudes einen Widerspruch zu dem schlichten Design des Kantinengeschirrs da. Auf der einen Seite gibt es das schwülstige-bombastische Design der Staats- und Parteibauten, wie das 1936 entstandene Flughafengebäude und auf der anderen Seite das funktionale Design von dem das Kantinengeschirr zeugt und auch in Industriebauten wiederzufinden ist.
Fundort des Kantinengeschirrs
Die Scherbe mit dem Schriftzug „Schönheit der Arbeit“ wurde in dem Feuerlöschteich nahe des ehemaligen Zwangsarbeiter*innen-Lagers der Luft Hansa gefunden. Wahrscheinlich stammt sie aus einer Kantine, die sich direkt östlich des Feuerlöschteichs befand. Die Kantine gehörte zum Werkkomplex der Luft Hansa und wurde von den „deutschen“ Angestellten und Arbeiter*innen der Luft Hansa benutzt. Die sich ebenfalls auf dem Gelände befindlichen Zwangsarbeiter*innen hatten in der Regel von den „deutschen“ Arbeiter*innen getrennte Küchen-und Speisebaracken, in denen hauptsächlich Blechgeschirr verwendet wurde.
Produktion des Kantinengeschirrs
Es war dem herstellendem Betrieb nicht gestattet etwas an dem Design des „Modells des Amtes Schönheit der Arbeit I“ zu verändern. Auf dem Porzellan musste das Logo des Amtes, welches aus dem Zeichen der „Deutschen Arbeitsfront“ bestand und dem Schriftzug des Amtes angebracht sein. Unter dem Logo des Amtes befand sich der Name der Herstellerfirma.
Eine breite Nachfrage nach dem Kantinengeschirr entstand erst während des Zweiten Weltkriegs. Jetzt wurde es in großer Anzahl produziert und in die Kantinen der Angestellten und Arbeiter*innen eingeführt.
In der Stadt Selb, in der dieses Geschirrstück in einer der Fabriken der Firma Lorenz Hutschenreuther hergestellt wurde, befanden sich viele weitere Porzellanfabriken. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden in den meisten Fabriken der Stadt durch die vermehrte Anfrage nach Porzellan Zwangsarbeiter*innen in der Produktion ausgebeutet.
Marlene Jatsch
Literatur
- Seller, Gert: Die Geschichte des Design in Deutschland von 1870 bis heute. Entwicklung der industriellen Produktion. Köln ³1978.
- Seller, Gert: Geschichte des Designs in Deutschland. Frankfurt 1994.
Weiterführender Link
- Expertenführer Handelsplatz für Kunsthandwerk und industrielles Design des 20. Jahrhundert. http://design20.eu/design20-blog/2012/08/modelle-des-amtes-schonheit-der-arbeit-i-ii-iii-iv