Zwangsarbeit bei Unternehmen auf dem Gelände des Flughafen Tempelhof: Weser Flugzeugbau

Im April 1933 wurde das Reichsluftfahrtministerium (RLM) unter der Führung von Hermann Göring als Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe gegründet. Mit Hilfe von Subventionen und Standardisierungen entstand eine kriegstaugliche Deutsche Luftwaffe, die in den ersten Kriegsjahren den Luftraum beherrschte. Eine wichtige Rolle für die Rüstungsindustrie der Luftfahrt spielte dabei der Flughafen Tempelhof als Dreh- und Angelpunkt Berlins.

Auch die „Weser“ Flugzeugbau GmbH (WFG) und die Deutsche Lufthansa verlegten Teile ihrer Produktionsstätten auf das Tempelhofer Flughafengelände. Durch die Beschäftigung tausender Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen war es ihnen weitestgehend möglich, die Auflagen der NS-Führung zu erfüllen. Zusätzlich zu den heimatlichen Werken eröffneten die Unternehmen Zweigstellen in den besetzten Gebieten, um die Arbeitskraft direkt vor Ort ausnutzen zu können.

Montagehalle zur Fertigung von JU-87 (Reichsgebiet 1942), Fotograf: Seuffert Quelle: Bundesarchiv, Bild 101I-642-4711-17A / Seuffert / CC-BY-SA, http://en.wikipedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_101I-642-4711-17A,_Produktion_von_Junkers_Ju_87.jpg

Montagehalle zur Fertigung von JU-87 (Reichsgebiet 1942), Fotograf: Seuffert
Quelle: Bundesarchiv, Bild 101I-642-4711-17A / Seuffert / CC-BY-SA, http://en.wikipedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_101I-642-4711-17A,_Produktion_von_Junkers_Ju_87.jpg

„Weser“ Flugzeugbau GmbH

Am 27.3.1934 wurde die „Weser“ Flugzeugbau GmbH (auch Weserflug, WFG) als Tochter-Gesellschaft der Deutsche Schiff- und Maschinenbau AG (DESCHIMAG) gegründet. Als erste Produktions- und Entwicklungsstätte pachtete sie die Rohrbach-Metallflugzeugbau GmbH in Berlin, der Hauptsitz befand sich jedoch auf dem Gelände der Bremer Muttergesellschaft. Wegen steigender Aufträge wurde der Betrieb erweitert und umfasste Ende 1936 ca. 6.000 Mitarbeiter, u.a. wurde auch das Berliner Werk durch einen Neubau in Lemwerder ersetzt.

Zum 21.3.1936 löste sich die WFG von der DESCHIMAG und gründete eine eigenständige GmbH unter dem Vorsitz von Herbert L. W. Göring, einem Cousin Hermann Görings. Mit dem Tod des Hauptentwicklers A. Rohrbachs verlegte sich die WFG 1939 von eigenen Entwicklungen auf Lizenzen anderer Firmen und Standardisierungen.

Tempelhofer Werkstatt der WFG

Am 14.12.1939 erhielt die WFG den Auftrag des RLM den Serienumbau kriegswichtiger Flugzeuge vom bombardierungsgefährdeten Lemwerder nach Berlin-Tempelhof zu verlegen. Teile des alten Flughafens wurden ab 1940 bis Kriegsende der WFG zur Verfügung gestellt. Der 1936 begonnene Neubau war durch seine Stahlbetonbauweise größtenteils vor Bomben geschützt.

Die Arbeit des Tempelhofer Werkes bestand neben Reparatur- und Umbauarbeiten ab 1941 vor allem in der Produktion des Sturzkampfbombers Ju 87. Die Leitung hatte dabei der Betriebsführer und technische Werksleiter Dr. jur. Hans Albrecht Caspari inne. Schon seit 1937 wurde die Ju 87 von der WFG als Lizenzauftrag gefertigt. Zur besseren Erfüllung des steigenden Auftrags und zum Schutz der Produktionslinie verlegte sie diese von Lemwerder nach Tempelhof.

Nach dem Ende der Produktionslinie Ju 87 übernahm die WFG die Hubschrauber-Produktion der von ihr übernommenen Delmenhorster Firma Focke-Achgelis. Parallel verlagerte sie die Produktion vermehrt ins Ausland, da die Bombenangriffe zunahmen. In Tempelhof verlagerte sich die Produktion in Tunnel unterhalb des Flughafens und ab 1944 wurde diese, mit Genehmigung der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG), auch auf U-Bahn-Schächte ausgeweitet.

Am 26.4.1945 besetzten die anrückenden Allierten den Tempelhofer Flughafen.

Zwangsarbeit auf dem Gelände des Tempelhofer Flughafens

Um dem steigenden Bedarf nachkommen zu können, musste vor allem der kriegsbedingte Personalmangel beseitigt werden. Neben der Bitte um einen Einberufungs-Stopp der deutschen Facharbeiter, forderte die WFG vermehrt Zwangsarbeiter an, welche von ihren eigenen Ingenieuren ausgesucht wurden.

Ab Frühjahr 1940 kamen die ersten Zwangsarbeiter*innen nach Berlin-Tempelhof, v.a. aus Polen. Nach der Besetzung von sowjetischem GebietW setzte die WFG vermehrt sowjetische Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter*innen ein. Bis 1944 arbeiteten mindestens 4000 Menschen für das Tempelhofer Werk, über die Hälfte waren Zwangsarbeiter*innen.

Unterbringung und Behandlung der Zwangsarbeiter

Die Unterbringung der Zwangsarbeiter*innen war oft unzureichend. Die WFG brachte ca. 1200 westliche Dienstverpflichtete (sog. ausländische Zivilarbeiter), sprich Belgier, Dänen, Franzosen, Holländer, Italiener etc., in einem Verwaltungsgebäude der Gagfah in Schmargendorf (Charlottenburg-Wilmersdorf) unter. Ca. 300 deutsche Arbeiter ohne Familien wohnten ebenfalls dort, andere konnten mit ihren Familien Wohnungen in Tempelhof beziehen. Die sogenannten „Ostarbeiter“ (ca. 1300), d.h. Zwangsarbeiter*innen aus Polen, der Sowjetunion, Tschechoslowakei, Ukraine etc., brachte sie jedoch unter strenger Bewachung auf dem Flughafengelände in Barackenlagern unter.

Zwei große Barackenlager entstanden auf dem Gelände des ehemaligen KZs Columbia-Haus, weitere waren über das Flughafengelände verteilt. Das Lazarett befand sich in einem gesonderten Barackenkomplex vor dem Flugsteig A. Es versorgte alle Arbeiter*innen, die jedoch auch hier, wie in den Unterkünften, hierarchisch behandelt wurden.

Um für einen reibungslosen Produktionsablauf zu sorgen, gab es in den Betrieben sog. „Abwehrbeauftragte“. Auch die deutschen Arbeiter waren dazu angehalten, ihre ausländischen Kollegen zu beaufsichtigen. Bei der WFG kam es kaum zu Sabotageakten oder Widerstand, da die Lageraufsicht rigoros durchgriff und die entsprechenden Personen sofort der zuständigen Polizeistelle übergab.

Aufarbeitung nach ‘45

Nach der Besetzung des Tempelhofer Werkes durch die Alliierten am 26.4.1945 und der Kapitulation des NS-Regimes wurde allen Mitarbeitern gekündigt, da in den besetzten Werken der WFG eine Umstellung auf Friedensware nicht möglich war.

Stattdessen gründeten die ehemaligen Berliner Werks- und Betriebsleiter Caspari und Corzilius die Firma „Weser“ Fahrzeugbau AG, in der u.a. auch ehemalige WFG-Mitarbeiter Arbeit fanden. Mit der Verlagerung der Firma nach Charlottenburg begann der dortige Magistrat verstärkt Kontrolle auszuüben und die belasteten Mitarbeiter aus der Firma zu entfernen, bevor diese schließlich in Fahrzeugbau Westend umbenannt wurde.

1956 nahm die “Weser“ Flugzeugbau GmbH unter ihrem alten Namen den Betrieb wieder auf und fusionierte fünf Jahre später mit der Focke-Wulf-Flugzeugbau GmbH zu den Vereinigten Flugtechnischen Werken (VFW). Aus dieser Vereinigung ging nach mehreren Fusionen und Abspaltungen schließlich die heutige EADS hervor.

Zur Geschichte der WFG sind in den letzten Jahren einige Artikel und Bücher veröffentlicht worden. Dabei kam auch die Beschäftigung von Zwangsarbeiter*innen zur Sprache, jedoch meist in einer untergeordneten Rolle. Die Weserflug selber hat keine Forschung zu dem Thema betrieben. Allein der ehemalige technische Leiter und Hauptbetriebsleiter der WFG (Dipl.-Ing. Fritz Feilcke, 1934-1945) arbeitete bis zu seinem Tod 1977 an der Aufzeichnung der Geschichte der WFG und schuf damit eine Grundlage der heutigen Literatur zum Thema.

Sara Sponholz

Literatur

  • BERLINER GESCHICHTSWERKSTATT E.V. (Hrsg.), „Totaleinsatz“. Zwangsarbeit in Berlin (1943 -1945). Tschechische ZeitzeugInnen erinnern sich, Berlin 1998.
  • BERLINER GESCHICHTSWERKSTATT E.V. (Hrsg.), Zwangsarbeit in Berlin (1940-45). Erinnerungsberichte aus Polen, der Ukraine und Weißrußland, Erfurt 2000.
  • BERLINER GESCHICHTSWERKSTATT E.V. (Hrsg.), Kein Ort der Freiheit. Das Tempelhofer Feld 1933-1945, Berlin 2012.
  • MATTHIAS HEISIG, Der Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter für die Weser-Flugzeugbau GmbH auf dem Flughafen Tempelhof, in: Zwangsarbeit in Berlin 1939-1945, hrsg. vom ARBEITSKREIS BERLINER REGIONALMUSEEN, Berlin 2003, S. 167-187.
  • NEITMANN MEYER (Hrsg.), Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Berlin und Brandenburg.Formen, Funktion und Rezeption, Potsdam 2001.
  • HARTMUT POPHANKEN, Gründung und Ausbau der „Weser“ Flugzeugbau GmbH 1933 bis 1939. Unternehmerisches Entscheidungshandeln im Kontext der nationalsozialistischen Luftrüstung, Bremen 2000.
  • F.-HERBERT WENZ, Flughafen Tempelhof. Chronik des Berliner Werkes der „Weser“ Flugzeugbau GmbH Bremen, Lemwerder 2000.

Empfohlene Links