Stadtspaziergang Tempelhofer Feld: 4. On The Road: Archäologische Ausgrabungen

Von der Gedenktafel zur Zwangsarbeit auf dem Tempelhofer Feld laufen Sie nun weiter auf das Feld zu und halten sich links. Hier können Sie die Kleingartenanlage durchqueren, lassen dann die beiden Tennisfelder wie auch einen kleinen Shaolin Tempel links liegen und gelangen über eine verhältnismäßig kleine Rasenfläche auf das alte Rollfeld für Flugzeuge. Dort, wo sich das Rollfeld und die Zubringerstraße treffen, gelangen Sie zum Ort der seit 2012 stattfindenden archäologischen Grabungen. „Bei den Grabungen geht es uns darum, die Geschichten dieser Menschen, die sie selbst nie erzählen konnten, sichtbar zu machen und ihnen so eine Stimme zu geben“1, sagt Professor Reinhard Bernbeck, Leiter der Ausgrabungen.

Zwei Orte sind dabei von besonderem Interesse: Der alte Tempelhofer Flughafen (E), der im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört und später abgerissen wurde und das Zwangsarbeiterlager der Lufthansa, auch „Lilienthal-Lager“ (C, D) genannt. Das Lager befand sich östlich der Lilienthalstraße und nördlich des alten Flughafens. Das Überbleibsel der alten Lilienthalstraße ist heute noch zu erkennen. Es ist der asphaltierte Weg, der sich mit der Zubringerstraße und dem Rollfeld kreuzt.

Auf der linken Seite (neben dem Basketballfeld) standen vier Baracken des Zwangsarbeiterlagers der Lufthansa (C). Auf der südlichen Seite des Rollfeldes befanden sich die Küche sowie eine Versorgungsbaracke (D) des Lagers. Bei den Ausgrabungen wurden Überreste tierischer Knochen gefunden. Da die Insassen des Lagers kaum fleischhaltige Nahrung erhielten, wird vermutet, dass die Küche während des Krieges vom Lager abgetrennt und von deutschen Arbeitern genutzt wurde.

Ein Tellerboden aus Porzellan mit dem Aufdruck "Schönheit der Arbeit" gefunden im Feuerlöschteich (in der Nähe der Küche- und Versorgungsbaracke des Lufthansa-Lagers). (Photo Nr. 1873_046_325-7) (c) Jessica Meyer/Landesdenkmalamt Berlin

Ein Tellerboden aus Porzellan mit dem Aufdruck „Schönheit der Arbeit“ gefunden im Feuerlöschteich (in der Nähe der Küche- und Versorgungsbaracke des Lufthansa-Lagers).
(Photo Nr. 1873_046_325-7) (c) Jessica Meyer/Landesdenkmalamt Berlin

Im Jahr 2013 laufen die Ausgrabungen weiter. Zunächst erfolgen archäologische Untersuchungen auf dem Gelände des KZ Columbia-Haus (A). Anschließend soll auf dem Areal des „Richthofen-Lagers“ der Weserflug (B) gegraben werden. Es befand sich dort, wo heute die Baseball-Felder sind. Ausgrabungen dieser Art werden in Deutschland bisher nur vereinzelt durchgeführt. Die sogenannte Archäologie der Moderne, die sich mit den Fundstücken aus dem 20. Jahrhundert beschäftigt, ist nicht so weit verbreitet wie zum Beispiel in den USA.

So sind die archäologischen Ausgrabungen auf dem Tempelhofer Feld ein wichtiges Element der Erforschung des Nationalsozialismus.

Archäologisches Quellenmaterial erlaubt einen Einblick in Alltagshandlungen, die weder in historischen Schriften noch in persönlichen Erinnerungen umfänglich dokumentiert sind.
Auf dem Gelände des „Lilienthal-Lagers“ wurden knapp 10.000 Fundstücke gefunden, die größtenteils aus der Nachkriegszeit stammen. „Es ist besonders die Menge, die uns überrascht hat, und die Tatsache, dass vieles so dicht unter der Grasnarbe lag”, sagt Landeskonservator Professor Jörg Haspel.2 Unter anderem wurden Sarggriffe gefunden, die allerdings aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammen. Zu dieser Zeit war an diesem Ort ein Friedhof, der später dem Flughafengelände weichen musste. Die gefundenen Flugzeugteile gehen allerdings auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurück, die unter anderem von den Zwangsarbeiter*innen der Lufthansa repariert wurden. Zu den Fundstücken gehören auch die Überreste von Zwangsarbeiterbaracken: Geschirrscherben, Reste von Kachelofen, Mörtel, Betonfundamente. Aus der Nachkriegszeit stammen vor allem Fundstücke, die die Präsenz der Amerikaner dokumentieren: Tuben mit Rasiergel, Kämme, Zahnbürsten und sogar ein Nummernschild eines Autos aus Ohio.

Laufen Sie nun weiter entlang des Rollfeldes. Nach etwa 500 Metern gelangen Sie zur ersten Start- und Landebahn – unserer dritten Station (3).

Ekaterina Akopyan

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Anmerkungen

  1. Malene Gürgen, Blicke in die Vergangenheit, in Die Tageszeitung vom 26.12.2012 unter: http://taz.de/Tempelhofer-Feld/!108042/ Letzter Zugriff am 05.04.2013.  (hoch)
  2. Das Erbe unter unseren Füßen, in Facetten-Magazin Neukölln vom 23. 11.2012 unter: http://facettenneukoelln.wordpress.com/2012/11/23/das-erbe-unter-unseren-fusen/ Letzter Zugriff 05.04.2013.  (hoch)