Zwangsarbeit bei Unternehmen auf dem Gelände des Flughafen Tempelhof: Lufthansa
In den 20er Jahren bildete die ursprüngliche Lufthansa eine Einheitsgesellschaft für den zivilen deutschen Luftverkehr. Eine wichtige Leistung war v.a. die Einführung von Qualitätsvorschriften, für deren Kontrolle die Lufthansa zuständig war. Nach der Wirtschaftskrise 1929 führte das Unternehmen Rationalisierungsmaßnahmen durch. So konzentrierte es sich auf den rentableren Auslands- und Langstreckenverkehr. Dazu verkleinerte und modernisierte sie ihren Flugzeugpark und läutete in der gesamten Flugzeugindustrie eine Konsolidierung und Modernisierung ein, bei der auch die Einführung der Schichtarbeit eine Rolle spielte.
Mit Kriegsbeginn wurden alle Zukunftspläne bezüglich des transkontinentalen Liniennetzes der Lufthansa überflüssig, da die anderen Länder, v.a. die USA, eine Zusammenarbeit ablehnte. Dementsprechend setzte die Lufthansa, mit dem in den 30ern begonnenen Nebenzweig der Flugzeugreparatur, einen neuen Schwerpunkt ihres Unternehmens: den in den 30ern begonnenen Nebenzweig der Flugzeugreparatur. Grundsätzlich blieb jedoch alles Handeln der Lufthansa während des Zweiten Weltkriegs auf den Luftverkehr der Nachkriegszeit konzentriert. Dafür war sie bereit alle Konsequenzen zu tragen, ob nun das Arrangieren mit staatlichen Stellen oder die Beschäftigung von Zwangsarbeitern. Vor allem die Zwangsarbeiter*innen hatten die Konsequenzen zu tragen, da die Lufthansa nicht gewillt war der Rüstungsindustrie mehr Geld als nötig zur Verfügung zu stellen, um die Kriegszeit zu überstehen.
Tempelhofer Werkstatt der Lufthansa
Schon vor dem Krieg saß die Lufthansa als Linie des zivilen Luftverkehrs am Flughafen Tempelhof. Bei Kriegsbeginn wurde der zivile Flugverkehr jedoch nach Rangsdorf ausgelagert und Tempelhof als „Fliegerhorst“ (Status als kriegswichtiger Standort) allein unter militärische Leitung gestellt. Es dauerte bis März 1940, bis der zivile Flugbetrieb in Tempelhof wiederaufgenommen wurde, unklar ist jedoch, wie lange zivile Flugzeuge während des Krieges von Tempelhof aus starten konnten.
Initiativ gründete die Lufthansa im November 1939 die Werkstatt Tempelhof als Nebenbetrieb ihrer Werkstatt in Staaken. Sie diente als „Platzhalter“ der Lufthansa im alten Flughafenkomplex und sollte die zunehmenden Blecharbeiten an beschossenen Flugzeugen durchführen. Ebenfalls übernahm die Werkstatt die Montage des „Würzburg“-Geräts der Firma Telefunken, ein neuer Funkmessapparat zur Anpeilung einfliegender feindlicher Flugzeuge. Wegen des Erfolgs der neuen Technik war das Gerät während der gesamten Kriegszeit gefragt und sicherte der Lufthansa das Überleben in der ansonsten schwerumkämpften Luftfahrtindustrie.
Die Tempelhofer Werkstatt zog gegen Kriegsende, aufgrund der verstärkten Bombenangriffe, auf den Flugplatz der Firma Heinkel in Oranienburg um.
Zwangsarbeit auf dem Gelände des Tempelhofer Flughafens
Aufgrund von kriegsbedingtem Personalmangel hatte die Lufthansa Schwierigkeiten die hohe Auflage zu erfüllen. Obwohl die Lufthansa auf Handwerker zurückgreifen konnte, die wegen der industriellen Lage ihre Firmen aufgeben mussten und nun nach Arbeit suchten, fing sie bald an auch Zwangsarbeiter*innen einzusetzen.
Die Lufthansa beschäftigte zunächst niederländische und polnische Zwangsarbeiter*innen, gefolgt von Ungarn und sowjetischen Kriegsgefangenen, bevor schließlich massenhaft „Ostarbeiter“ eingesetzt wurden. Die sowjetischen Zwangsarbeiter*innen stellten bald den größten Anteil von ausländischen Beschäftigten bei der Lufthansa, gefolgt von den Niederländern und Polen. Zum Teil fanden erst Anwerbungen statt, bevor sich schließlich die Zwangsverpflichtung als Arbeiterbeschaffungsmethode durchsetzte.
Zusätzlich griff die Lufthansa auf die 1938 staatlich beauftragte Mobilisierung der Verfolgten des NS-Regimes, den sogenannten „geschlossenen Arbeitseinsatz“, zurück. Die ersten jüdischen Zwangsarbeiter*innen kamen Ende 1940 in die Tempelhofer Werkstatt, Ende 1941 waren es insgesamt 69 Juden. Zugeteilt waren die Juden der Montage der „Würzburg“-Geräte, welche durch ihre Serienfertigung leicht von Ungelernten hergestellt werden konnten. 1942 endete der „Arbeitseinsatz“ und die Juden wurden nach Polen und in die Vernichtungslager abtransportiert.
Nun folgte jedoch nicht ausschließlich der Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter*innen, da die Lufthansa durch die Aufwertung des Funkmessprogramms vermehrt deutsche Ersatzarbeitskräfte gewinnen konnte. Aufgrund des kriegswichtigen Status‘, verfügte Hitler im März 1943 einen Einberufungsschutz für die deutschen Arbeiter der Funkmessindustrie. Dementsprechend setzte die Lufthansa ihre ausländischen Zwangsarbeiter*innen größtenteils in Betrieben ein, die über andere Programme und Arbeitsmarktbedingungen verfügten (die Höchstgrenze an ausländischen Zwangsarbeiter*innen lag in Tempelhof im Dezember 1943 bei 28,9 %).
Unterbringung und Behandlung der Zwangsarbeiter
Untergebracht waren die Zwangsarbeiter*innen in vier Baracken, welche an das Lager der Weserflug angefügt waren, aber räumlich getrennt blieben.
Ein Problem bedeutete für viele Betriebe mit jüdischen Zwangsarbeiter*innen die staatliche Forderung von gesonderten Toiletten. Besonders für Juden war das ein Nachteil, da sie häufig lange Distanzen zum nächsten „Juden-Abort“ zurücklegen mussten. So auch bei der Lufthansa: Dort mussten Juden nach der Verlegung der
Werkstatt in den neuen Flughafen ca. 1km zu Fuß laufen, da der Abort nach wie vor beim alten Flughafen lag. Neben dieser Schikane gab es noch viele weitere, die nach festgelegten Regeln verliefen. Zum Beispiel fand eine ständige Bewachung der jüdischen Zwangsarbeiter*innen statt und sie durften nur in Kolonnen arbeiten, welche unter der Leitung von Deutschen standen.
Als die Niederlage immer offensichtlicher wurde, versuchte die Lufthansa, wie viele andere Unternehmen, sich ihrer Zwangsarbeiter*innen zu entledigen. Teilweise schickte sie sie zur Arbeit an die Front oder mit verschiedenen Aufgaben vom Werkgelände, in der Hoffnung, sie würden die Flucht ergreifen oder zumindest nicht auf dem Gelände von den Alliierten entdeckt.
Aufarbeitung nach ‘45
Deutsche Lufthansa (auch Luft-Hansa oder Luft Hansa)
Die heutige Deutsche Lufthansa AG ist grundsätzlich von der 1926 gegründeten Deutsche Luft-Hansa AG, welche sich 1945 nach Kriegsende auflöste (Liquidation 1951), zu unterscheiden. Stattdessen ist der gleiche Name auf den Erwerb der Namensrechte und der anschließenden Umbenennung der „Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf“ (LUFTAG) ein Jahr nach ihrer Gründung 1953 zurückzuführen.
Die gegenwärtige Deutsche Lufthansa AG sieht sich nicht als formelle Rechtsnachfolgerin der nach Kriegsende aufgelösten Gesellschaft. Ihrer Meinung nach könne sie somit nicht mit den Geschehnissen während des Krieges belangt werden. Dementsprechend sei sie auch nicht für Entschädigungszahlungen zuständig. Allerdings gab es in der Führungsebene durchaus personelle Kontinuitäten, die die beiden Firmen miteinander in Zusammenhang bringen. In Einzelfällen erklärte sich die Deutsche Lufthansa dennoch bereit, Entschädigungen je nach Dauer der Zwangsarbeit in Höhe einer Einmalzahlung von 10.000 DM zu zahlen. Die Opfer, bei denen die Nachweispflicht liegt, haben es allerdings schwer, weil die Lufthansa-Archive im Krieg zerstört wurden.
Im Februar 2001 veröffentlichte Lutz Budraß einen Forschungsbericht, der die Firmengeschichte der Lufthansa und die Beschäftigung von „ausländischen Arbeitern“ während des Zweiten Weltkriegs erstmalig genauer untersucht. Budraß bietet einen guten und objektiven Einblick in die Unternehmensstruktur und die Geschichte der Zwangsarbeit.Sara Sponholz
Literatur/ Links
- LUTZ BUDRASS, Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutschland 1918 – 1945, Düsseldorf 1961.
- LUTZ BUDRASS, Die Lufthansa und ihre ausländischen Arbeiter im Zweiten Weltkrieg, Frankfurt/Main 2001. Unternehmensgeschichte der Deutschen Lufthansa
- NS-Zwangsarbeit: Neue Klagen gegen Firmen (Spiegel-Online, 01.04.1999), http://www.spiegel.de/wirtschaft/ns-zwangsarbeit-neue-klagen-gegen-firmen-a-15600.html
- Lufthansa-Artikel auf Wikipedia.de